PHD Project - Driver energy prediction
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3 years ago
\chapter{\ac{EOL}-Prüftechnik für Fahrzeugmotoren}
\label{ch:EOL}
Die \ac{EOL}-Prüftechnik in der Großserienproduktion von Fahrzeug-Verbrennungsmotoren dient in den nachfolgenden Kapiteln als Anwendungsbeispiel für die untersuchten lernfähigen Prüfverfahren.
Dieses Kapitel beschreibt deshalb zunächst die Grundlagen der \ac{EOL}-Prüfung in dieser Anwendung. Ziel ist die Einordnung der \ac{EOL}-Prüfung in den Herstellungsprozess und die Darstellung der Abläufe im Prüfvorgang, soweit diese für die nachfolgende Untersuchung von Prüfalgorithmen relevant sind. Darauf aufbauend lassen sich die Rahmenbedingungen für den Einsatz lernfähiger Algorithmen darstellen.
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
\section{Einordnung der \ac{EOL}-Prüfung in den Herstellungsprozess}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
Die Motormontage weist einen relativ großen Anteil manueller Tätigkeiten auf, die entsprechend fehleranfällig sind und daher gegen Fehler abgesichert werden müssen um eine einwandfreie Produktqualität sicherstellen zu können. %\textfixme{Quelle für Anteil manuell, evtl. im Vergleich zu ..., und Fehleranfälligkeit manueller Tätigkeiten}
Neben der vorausschauenden Fehlervermeidung z.B. durch \ac{FMEA} oder Poka-Yoke \cite[][264]{Hering2003} erfolgt daher in der Motormontage sowohl die Überprüfung von einzelnen Montageschritten als auch des Endproduktes. Die in den Montageprozess integrierte Prüfung von teilmontierten Produkten ermöglicht es, auftretende Fehler nahe an deren Quelle zu erkennen. Dadurch ist die Fehlerbehebung möglich ohne nachfolgende Montageschritte rückgängig machen zu müssen \cite[][4]{Hametner2001}. Beispielhafte Prüfungen innerhalb der Montage von Verbrennungsmotoren sind:
\begin{itemize}
\item Drehmomentprüfung nach Einlegen des Kurbeltriebes in das Kurbelgehäuse inkl. Vorbeölung \cite[][2]{Hametner2001},
\item Dichtheitsprüfung für die Radialwellendichtringe \cite[][2]{Hametner2001},
\item Dichtheitsprüfung (Lecktest) für Ölraum, Wasserraum, Ansaugsystem, Auslasssystem und Kraftstoffsystem \cite[][2,4]{Hametner2001}, \cite[][21]{Brummet2006},
\item Optische Prüfung auf den korrekten und vollständigen Verbau von Bauteilen, z.B. bei Kolben \cite{Sagerer1997}.
\end{itemize}
%\texttodo{Bild Prüftechnik in Motormontage wie [Wiederer2015, p. 19]?}
Die \ac{EOL}-Prüfung ist naturgemäß nahe am Ende des Herstellungsprozesses positioniert, um so viele Arbeitsschritte wie möglich in der Prüfung zu erfassen.
Konkret wird die \ac{EOL}-Prüfung von Verbrennungsmotoren heute bevorzugt als Kalttest ausgeführt, bei dem eine E-Maschine den Prüfling elektrisch schleppt ohne dass dieser Kraftstoff verbrennt \cite{Sagerer1997}. Typisch ist dabei eine \SI{100}{\percent}-Prüfung aller produzierten Motoren \cite[][4]{Brummet2006}.
Die früher üblichen Heißtestprüfstände mit aktivem Betrieb des Prüflings haben heute eine reduzierte Bedeutung \cite[][VIII]{Hametner2001}, \cite[][79]{Martyr2012}. Typischerweise durchlaufen weniger als $\SI{10}{\percent}$ der produzierten Motoren einen Heißtest \cite[][18]{Brummet2006}. Die Dauer des eigentlichen Prüflaufs im Heißtest beträgt wenige Minuten (z.B. \num{2.5} Minuten bei Brummet \cite[][17]{Brummet2006}). Der gesamte Prüfvorgang im Heißtest inkl. Herstellen und Trennen der Verbindung von Prüfling und Prüfstand dauert lt. Martyr fünf bis acht Minuten \cite[][78]{Martyr2012}, bei Delvecchio mehr als zehn Minuten \cite{Delvecchio2007}.
Parallel erfolgen Prüfungen mit längerem Prüfprogramm (Prüfläufe bis zu \num{20} Stunden) unter Last mit Audit-Prüfständen in einer möglichst fahrzeugähnlichen Prüfumgebung \cite[][3, 31, 32]{Hametner2001}. Der Anteil der Motoren die eine solche Audit-Prüfung durchlaufen ist nochmals geringer als im Heißtest.
Bei erfolgreichem Abschluss der Herstellung des Motors erfolgt der Transport ins Fahrzeugwerk. Nach dem Einbau in ein Fahrzeug kann erstmals die Funktion auf einem Rollenprüfstand überprüft werden, teilweise erfolgt auch eine Straßenfahrt \cite[][74]{Brummet2006}.
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\section{Kalttest als \ac{EOL}-Prüfung für Verbrennungsmotoren}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
Der Prüfling wird im Kalttest über seine Kurbelwelle elektrisch geschleppt, d.h. er läuft kalt ohne Kraftstoff zu verbrennen. Ein Signalfluss-Schema für den Kalttest zeigt \figref{fig:schema_signalverarbeitung}.
Die Anregung des Prüflings erfolgt dabei einerseits durch die Drehung der Kurbelwelle, andererseits durch das Verstellen von Aktoren am Prüfling wie z.B. dem Drosselklappensteller. Messsignale von Sensoren am Prüfling und Prüfstand werden messtechnisch erfasst und zur Aufzeichnung am Rechner digitalisiert. Die digitalisierten Messsignale können bei Bedarf eine digitale Signalverarbeitung durchlaufen, um z.B. störende Signalanteile zu filtern oder eine Transformation in den Frequenzbereich vorzunehmen. Aus den so aufbereiteten Messsignalen extrahiert die Prüfsoftware schließlich die Istwerte der Prüfmerkmale. Auf Basis dieser Istwerte entsteht letztlich die \ac{iO}/\ac{niO}-Entscheidung als Prüfergebnis des eigentlichen Prüfalgorithmus. Der gesamte Ablauf mit allen Einstellparametern und Prüfgrenzen ist vorab festgelegt und wird bei jedem Prüfvorgang automatisiert ausgeführt. Die Gesamtheit der Einstellparameter wird im folgenden als Prüfprogramm bezeichnet.
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{schema_signalverarbeitung}
\caption[Signalfluss-Schema im Prüfvorgang]{Signalfluss-Schema im Prüfvorgang von der Anregung bis zum Prüfergebnis}
\label{fig:schema_signalverarbeitung}
\end{figure}
Zahlreiche Grundlagen des Kalttests für Verbrennungsmotoren sind in der Dissertation von Meier \cite{Meier1992} zu finden. % \texttodo{Veröffentlichungen Meier1992 / Meier1994 ATZ einfügen}.
Sagerer et al. haben die Einführung des Kalttests bei der BMW AG beschrieben \cite{Sagerer1997}. Verbesserungen des Kalttests hinsichtlich Prüfabläufen und Aussagekraft finden sich bei Hametner et al. \cite{Hametner2001, Hametner2002, Hametner2002b}. Häufig genannte Vor- und Nachteile des Kalttests gegenüber dem konventionellen Heißtest in der \ac{EOL}-Prüfung sind in \tabref{tab:Kalttest_Vorteile_Nachteile} aufgelistet.
%\begin{itemize}
%\item eine bessere Erkennung von Fehlerursachen, u.a. zylinderselektive Fehlererkennung \cite[][4]{Meier1992}, \cite{Sagerer1997}, \cite[][11\psq, 17-20]{Gronowski2004}, \cite{Delvecchio2007}, \cite[][78-81]{Martyr2012},
%\item eine höhere Fehlererkennungsrate \cite[][4, 106]{Meier1992}, \cite{Sagerer1997}, \cite{Delvecchio2007},
%\item die geringere Umweltbelastung (keine Abgasemissionen, geringere Geräuschemissionen) und dadurch gesundheitliche Unbedenklichkeit \cite[][4, 106]{Meier1992}, \cite{Sagerer1997}, \cite{Hametner2002}, \cite[][11\psq, 17-20]{Gronowski2004}, \cite[][19]{Brummet2006}, \cite{Delvecchio2007},
%\item es ist keine Kühlmittelversorgung für den Prüfling nötig \cite[][11\psq, 17-20]{Gronowski2004},
%\item die (deutlich) kürzere Prüfzeit mit bis zu \SI{85}{\percent} Einsparung \cite[][4]{Meier1992}, \cite[][11\psq, 17-20]{Gronowski2004}, {Delvecchio2007}, \cite[][78-81]{Martyr2012}
%\item Kostenersparnis bei Betriebs-, Wartungs- und Investitionskosten \cite[][4, 106]{Meier1992}, \cite{Sagerer1997}, \cite{Hametner2002}, \cite[][78-81]{Martyr2012}, u.a. durch den nicht vorhandenen Kraftstoffverbrauch \cite{Hametner2002}, \cite[][11\psq, 17-20]{Gronowski2004}, \cite{Delvecchio2007}, geringeren Platzbedarf in der Montagehalle \cite[][106]{Meier1992}, \cite[][19]{Brummet2006} und Reduzierung des Personalbedarfs \cite[][106]{Meier1992}, \cite{Hametner2002}, \cite[][19]{Brummet2006}, \cite{Delvecchio2007}
%\item eine Steigerung der Unfallsicherheit \cite{Sagerer1997},
%\item und es muss keine Abwärme des Verbrennungsvorgangs abgeführt werden \cite{Sagerer1997}.
%\end{itemize}
%\begin{itemize}
%\item eine bessere Erkennung von Fehlerursachen, u.a. zylinderselektive Fehlererkennung,
%\item eine höhere Fehlererkennungsrate,
%\item die geringere Umweltbelastung (keine Abgasemissionen, geringere Geräuschemissionen) und dadurch gesundheitliche Unbedenklichkeit,
%\item der Entfall der Kühlmittelversorgung für den Prüfling,
%\item die (deutlich) kürzere Prüfzeit mit bis zu \SI{85}{\percent} Einsparung,
%\item eine Kostenersparnis bei Betriebs-, Wartungs- und Investitionskosten u.a. durch den nicht vorhandenen Kraftstoffverbrauch, geringeren Platzbedarf in der Montagehalle und Reduzierung des Personalbedarfs,
%\item eine Verbesserung der Unfallsicherheit,
%\end{itemize}
%Auch potentielle Nachteile des Kalttests gegenüber dem Heißtest werden in der Literatur genannt:
%\begin{itemize}
%\item kein Einlaufen des Prüflings aufgrund der kurzen Prüfzeit erfolgt, daher sind z.B. Ölkanäle u.U. noch nicht vollständig befüllt,
%\item kein Warmlaufen des Motors, daher ist das Verhalten des warmen Motors nur eingeschränkt beurteilbar (einige Geräusche treten erst bei warmem Motor auf),
%\item hohe Schulungskosten / nötiger Erfahrungsschatz für das Bedienpersonal bei der Interpretation der Prüfergebnisse und bei der Parametrierung von Prüfläufen und Prüfgrenzen,
%\item keine direkte Beurteilung der realen Funktionsfähigkeit und des Abgasverhaltens,
%\item ein hoher Bedarf an Voruntersuchungen
%\end{itemize}
%\begin{table}
%\centering
%\caption{Übersicht über die Vor- und Nachteile des Kalttests}
%\label{tab:Kalttest_Vorteile_Nachteile}
%\footnotesize
%\begin{subtable}{\linewidth}
%\caption{Vorteile}
%\rowcolors{1}{myTableShading}{}
%\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
%%\toprule
%bessere Erkennung von Fehlerursachen, u.a. zylinderselektive Fehlererkennung \\
%höhere Fehlererkennungsrate \\
%geringere Umweltbelastung (keine Abgasemissionen, geringere Geräuschemissionen) und dadurch gesundheitliche Unbedenklichkeit \\
%Entfall der Kühlmittelversorgung für den Prüfling \\
%(deutlich) kürzere Prüfzeit mit bis zu \SI{85}{\percent} Einsparung \\
%Kostenersparnis bei Betriebs-, Wartungs- und Investitionskosten u.a. durch den nicht vorhandenen Kraftstoffverbrauch, geringeren Platzbedarf in der Montagehalle und Reduzierung des Personalbedarfs \\
%Verbesserung der Unfallsicherheit
%%\\ \bottomrule
%\end{tabularx}
%\end{subtable}
%%\end{table}
%
%%\begin{table}
%\begin{subtable}{\linewidth}
%\centering
%\caption{Nachteile}
%\footnotesize
%\rowcolors{1}{myTableShading}{}
%\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
%%\toprule
%kein Einlaufen des Prüflings aufgrund der kurzen Prüfzeit erfolgt, daher sind z.B. Ölkanäle u.U. noch nicht vollständig befüllt \\
%kein Warmlaufen des Motors, daher ist das Verhalten des warmen Motors nur eingeschränkt beurteilbar (einige Geräusche treten erst bei warmem Motor auf) \\
%hohe Schulungskosten / nötiger Erfahrungsschatz für das Bedienpersonal bei der Interpretation der Prüfergebnisse und bei der Parametrierung von Prüfläufen und Prüfgrenzen \\
%keine direkte Beurteilung der realen Funktionsfähigkeit und des Abgasverhaltens \\
%hoher Bedarf an Voruntersuchungen
%%\\ \bottomrule
%\end{tabularx}
%\end{subtable}
%\end{table}
\begin{table}
\centering
\caption[Übersicht über die Vor- und Nachteile des Kalttests]{Übersicht über die Vor- und Nachteile des Kalttests \cite[][4, 106]{Meier1992}, \cite{Sagerer1997}, \cite{Hametner2002}, \cite[][11\psq, 17-20]{Gronowski2004}, \cite[][19]{Brummet2006}, \cite{Delvecchio2007}, \cite[][78-81]{Martyr2012}}
\label{tab:Kalttest_Vorteile_Nachteile}
\footnotesize
\rowcolors{2}{}{myTableShading}
\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
%\begin{tabularx}{\textwidth}{>{\kern-\tabcolsep}c<{\kern-\tabcolsep}} %
%\begin{tabular}{>{\kern-\tabcolsep}*{6}{>$c<$}<{\kern-\tabcolsep}}
%\toprule
\cellcolor{myTableHeadingShading} Vorteile \\
%\midrule
bessere Erkennung von Fehlerursachen, u.a. zylinderselektive Fehlererkennung \\
höhere Fehlererkennungsrate \\
geringere Umweltbelastung (keine Abgasemissionen, geringere Geräuschemissionen) und dadurch gesundheitliche Unbedenklichkeit \\
Entfall der Kühlmittelversorgung für den Prüfling \\
(deutlich) kürzere Prüfzeit mit bis zu \SI{85}{\percent} Einsparung \\
Kostenersparnis bei Betriebs-, Wartungs- und Investitionskosten u.a. durch den nicht vorhandenen Kraftstoffverbrauch, geringeren Platzbedarf in der Montagehalle und Reduzierung des Personalbedarfs \\
Verbesserung der Unfallsicherheit
%\\ \bottomrule
\end{tabularx}
\vspace*{5mm}
\rowcolors{2}{}{myTableShading}
\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
%\toprule
\cellcolor{myTableHeadingShading} Nachteile \\
%\midrule
kein Einlaufen des Prüflings aufgrund der kurzen Prüfzeit erfolgt, daher sind z.B. Ölkanäle u.U. noch nicht vollständig befüllt \\
kein Warmlaufen des Motors, daher ist das Verhalten des warmen Motors nur eingeschränkt beurteilbar (einige Geräusche treten erst bei warmem Motor auf) \\
hohe Schulungskosten / nötiger Erfahrungsschatz für das Bedienpersonal bei der Interpretation der Prüfergebnisse und bei der Parametrierung von Prüfläufen und Prüfgrenzen \\
keine direkte Beurteilung der realen Funktionsfähigkeit und des Abgasverhaltens \\
hoher Bedarf an Voruntersuchungen
\end{tabularx}
%\end{subtable}
\end{table}
Ganz grundsätzlich gilt, dass der Betriebszustand des Motors im Kalttest nur wenig mit dem Realbetrieb im Fahrzeug gemein hat. Daher können die Prüfgrenzen auch nicht einfach unmittelbar aus dem Entwicklungsprozess bzw. Einsatzzweck des Prüflings abgeleitet werden. Es handelt sich vielmehr um eine vergleichende Prüfung, d.h. jeder Prüfling wird indirekt über die Prüfgrenzen mit den zuvor hergestellten Motoren verglichen.
%==============================================================================
\subsection{Aufbau eines typischen Kalttest-Prüfstandes}
%==============================================================================
Die Prüfstände sind in die Montagelinie integriert und in Schallschutzkabinen untergebracht.
Den grundlegenden Aufbau eines Kalttest-Prüfstandes zeigt \figref{fig:schema_pruefstand}, eine detaillierte Beschreibung findet sich z.B. in den Arbeiten von Wiederer \cite{Wiederer2015, Wiederer2016}. Die Kurbelwelle des Prüflings ist über einen Antriebsadapter, eine Kupplung und einen Drehmomentsensor mit der schleppenden E-Maschine verbunden. Als Antrieb dient eine drehzahlgeregelte Asynchronmaschine. Der Antrieb der Ölpumpe, der Kraftstoffpumpe und der beiden erfolgt intern über die Steuerketten des Prüflings. Ein Ansaug- und ein Abgasadapter mit je einer Drosselblende und einem Differenzdruck-Sensor erlauben es, die Luftströmung durch den Prüfling anhand des Druckabfalls an der Blende zu messen.
%Die Blendendurchmesser liegen im Bereich weniger Millimeter, z.B. Vierzylinder-Ottomotoren Einlass \SI{1}{mm} und Auslass \SI{2.5}{mm} \cite{Wiederer2016}, Differenzdruckmessung
Der Ansaugadapter kann an zwei Positionen (Position 1 am Eingang der Saugstrecke vor der Drosselklappe und Position 2 am Ausgang des Turbolader-Verdichters) genutzt werden. Der Abgasadapter ist am Auslass der Turbolader-Turbine angebracht. Zu beachten ist, dass im Prüflauf kein Ladeluftkühler vorhanden ist. Der Ausgang des Verdichters und der Eingang der Saugstrecke sind daher zur Umgebung hin offen.
Zur Kraftstoffversorgung und Messung des Öldrucks ist der Prüfling außerdem über eine Multifunktions-Kupplungsplatte mit dem Prüfstand verbunden. Es befindet sich während der Prüfung also sehr wohl Kraftstoff im Prüfling, der allerdings weder in die Brennräume eingespritzt noch gezündet wird. Der Kraftstoff im Prüfling wird benötigt da die Kraftstoffpumpe aktiv ist \cite[][55]{Brummet2006}.
%Kalttest-Prüfungen gewöhnlich ohne Kühlmittel
Die Verbindung des Motor-Kabelbaums zum Prüfstand erfolgt über einen Elektronik-Adapter. Beispielhaft zeigt \figref{fig:schema_pruefstand} den Druck- und Temperatursensor im Saugrohr, den Drosselklappensteller, das Wastegate und das Schubumluftventil als elektrische Sensoren und Aktoren am Prüfling. Aktoren am Prüfling die während des Prüflaufs angesteuert werden und Messgrößen die im Prüflauf aufgenommen werden sind in \tabref{tab:Kalttest_Aktoren_Messgroessen} angeführt.
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{schema_pruefstand}
\caption[Schematischer Aufbau eines Kalttest-Prüfstandes für Verbrennungsmotoren]{Schematischer Aufbau eines Kalttest-Prüfstandes für Verbrennungsmotoren, vgl. \cite{Wiederer2016}}
\label{fig:schema_pruefstand}
\end{figure}
%Steller am Prüfling die während des Prüflaufs angesteuert werden sind \cite[][33-34]{Wiederer2015}:
%\begin{itemize}
%\item Drosselklappe,
%\item Ladungsbewegungsklappen,
%\item Nockenwellenverstellung auf der Einlassseite,
%\item Nockenwellenverstellung auf der Auslassseite,
%\item Variabler Ventilhub,
%\item Zündsystem,
%\item Hochdruck- und Niederdruck-Einspritzventile (kein Öffnen),
%\item Kühlwasserregelung,
%\item Aktivkohlefilter-Ventil,
%\item Wastegate,
%\item Schubumluftventil,
%\item Kolbenkühldüsen,
%\item Ölpumpe,
%\item Kraftstoffpumpe,
%\item Drosselklappenstellung,
%\item Nockenwellengeber
%\end{itemize}
%Messgrößen die im Prüflauf aufgenommen werden sind \cite[][34-36]{Wiederer2015}:
%\begin{itemize}
%\item Schlepp-Drehmoment,
%\item Drehzahl und Winkelposition der Kurbelwelle,
%\item Ansaugdruck vor der Drosselklappe (Ansaugadapter Position 1),
%\item Ausgangsdruck am Turbolader-Verdichter (Ansaugadapter Position 2),
%\item Abgasdruck am Ausgang der Abgasturbolader-Turbine (Abgasadapter),
%\item Saugrohrdruck und -temperatur,
%\item Position der Ladungsbewegungsklappen,
%\item Position des Wastegate,
%\item Öldruck und -temperatur,
%\item Kraftstoffdruck Niederdruck- und Hochdrucksystem,
%\item Position des Kühlwasserreglers,
%\item Kühlwassertemperatur,
%\item Unterdruck der Vakuumpumpe,
%\item Nockenwellengebersignal, Kurbelwellengebersignal, Nockenwellenverstellwinkel,
%\item Rückwurfsignal des variablen Ventilhubs,
%\item Stromaufnahme und Ansteuersignale der Aktoren %Wastegate-Steller, Schubumluftventil, Ölpritzdüsen-Ventil, Kraftstoff-Mengensteuerventil, Drosselklappensteller, Steller der Kühlwasserregelung, Nockenwellenversteller-Ventile, Hochdruck- und MP-Kraftstoffinjektoren, Zündkerzen
%\item Körperschallaufnehmer und Laservibrometer am Kurbelgehäuse,
%\item Luftschall-Mikrofone,
%\item Klopfsensor,
%\item Umgebungstemperatur und Luftdruck,
%\item Versorgungsspannungen \SI{5}{V} und \SI{12}{V}
%%Abgasdruck, Öldruck, Öltemperatur, Drehzahl, Geräuschprüfung \cite[][3,29]{Hametner2001}
%%\item Zündsystem, Gemischbildner \cite{Hametner2002}
%%\item Drehmoment, Ansaugunterdruck, Abgasgegendruck, Öldruck (statisch und dynamisch), Öltemperatur \cite[][4]{Meier1992}
%%\item Bei Meier noch ausstehende \ac{EOL}-Prüfung von Gemischbildnern und Zündsystemen \cite[][4]{Meier1992} inzwischen Standard
%%\item automatischer Lecktest Ölraum; manueller Lecktest Wasserraum; Schleppstation Überprüfung HVA; Eletronikprüfung Sensoren/Aktoren/NWS; Zündtest; Gemischbildnertest Einspritzventile, Druckregler, Dichtheit Kraftsoff; Mechaniktest (Schleppmoment, Abgasgegendruck, Ansaugunterdruck, Öldruck statisch und dynamisch); Klopfsensor, Verstellzeit/Winkel NWS \cite{Sagerer1997}
%%\item Mechanik-Test: Drehmoment, Kurbelwellengeber, Nockenwellengeber, Ansaugdruck, Abgasdruck, Öldruck, Kraftstoffdruck \cite[][57]{Brummet2006}
%%\item Aktor-/Sensor-Test: Temperatursensoren, Klopfsensor, Drosselklappe, Saugrohrklappen \cite[58]{Brummet2006}
%%\item Gemischbildner-Test: Ströme der Kraftstoff-Injektoren \cite[][58]{Brummet2006}
%%\item Zündungs-Test: Induzierte Spannungen an den Zündspulen \cite[][58-59]{Brummet2006}
%%\item Drehmoment, Auslassdruck, Körperschall, Öldruck \cite{Delvecchio2007}
%\end{itemize}
%\begin{table}
%\centering
%\caption{Steller am Prüfling die während des Prüflaufs angesteuert werden}
%\label{tab:Kalttest_Steller}
%\footnotesize
%
%\rowcolors{1}{myTableShading}{}
%%\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
%\begin{tabular}{@{\kern\tabcolsep}l<{\kern\tabcolsep}} %
%Drosselklappe \\
%Ladungsbewegungsklappen \\
%Nockenwellenverstellung auf der Einlassseite \\
%Nockenwellenverstellung auf der Auslassseite \\
%Variabler Ventilhub \\
%Zündsystem \\
%Hochdruck- und Niederdruck-Einspritzventile (kein Öffnen) \\
%Kühlwasserregelung \\
%Aktivkohlefilter-Ventil \\
%Wastegate \\
%Schubumluftventil \\
%Kolbenkühldüsen \\
%Ölpumpe \\
%Kraftstoffpumpe \\
%Drosselklappenstellung \\
%Nockenwellengeber
%\end{tabular}
%\end{table}
%
%
%\begin{table}
%\centering
%\caption{Messgrößen die im Prüflauf aufgenommen werden}
%\label{tab:Kalttest_Messgroessen}
%\footnotesize
%
%\rowcolors{1}{myTableShading}{}
%%\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
%\begin{tabular}{@{\kern\tabcolsep}l<{\kern\tabcolsep}} %
%Schlepp-Drehmoment \\
%Drehzahl und Winkelposition der Kurbelwelle \\
%Ansaugdruck vor der Drosselklappe (Ansaugadapter Position 1) \\
%Ausgangsdruck am Turbolader-Verdichter (Ansaugadapter Position 2) \\
%Abgasdruck am Ausgang der Abgasturbolader-Turbine (Abgasadapter) \\
%Saugrohrdruck und -temperatur \\
%Position der Ladungsbewegungsklappen \\
%Position des Wastegate \\
%Öldruck und -temperatur \\
%Kraftstoffdruck Niederdruck- und Hochdrucksystem \\
%Position des Kühlwasserreglers \\
%Kühlwassertemperatur \\
%Unterdruck der Vakuumpumpe \\
%Nockenwellengebersignal, Kurbelwellengebersignal, Nockenwellenverstellwinkel \\
%Rückwurfsignal des variablen Ventilhubs \\
%Stromaufnahme und Ansteuersignale der Aktoren \\ %Wastegate-Steller, Schubumluftventil, Ölpritzdüsen-Ventil, Kraftstoff-Mengensteuerventil, Drosselklappensteller, Steller der Kühlwasserregelung, Nockenwellenversteller-Ventile, Hochdruck- und MP-Kraftstoffinjektoren, Zündkerzen
%Körperschallaufnehmer und Laservibrometer am Kurbelgehäuse \\
%Luftschall-Mikrofone \\
%Klopfsensor \\
%Umgebungstemperatur und Luftdruck \\
%Versorgungsspannungen \SI{5}{V} und \SI{12}{V}
%\end{tabular}
%\end{table}
\begin{table}
\centering
\caption[Typische Aktoren und Messgrößen im Kalttest von Ottomotoren]{Typische Aktoren und Messgrößen im Kalttest von Ottomotoren \cite[][33-36]{Wiederer2015}}
\label{tab:Kalttest_Aktoren_Messgroessen}
\footnotesize
\rowcolors{2}{}{myTableShading}
%\begin{tabular}{@{}l@{}}
%\begin{tabular}{@{\kern\tabcolsep}l<{\kern\tabcolsep}} %
\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
\cellcolor{myTableHeadingShading} Aktoren \\
%\toprule
%Aktoren \\
%\midrule
Drosselklappe \\
Ladungsbewegungsklappen \\
Nockenwellenverstellung auf der Einlassseite \\
Nockenwellenverstellung auf der Auslassseite \\
Variabler Ventilhub \\
Zündsystem \\
Hochdruck- und Niederdruck-Einspritzventile (kein Öffnen) \\
Kühlwasserregelung \\
Aktivkohlefilter-Ventil \\
Wastegate \\
Schubumluftventil \\
Kolbenkühldüsen \\
Ölpumpe \\
Kraftstoffpumpe \\
Drosselklappensteller \\
Nockenwellengeber
%\\ \bottomrule
\end{tabularx}
\vspace*{5mm}
\centering
%\caption{Messgrößen die im Prüflauf aufgenommen werden}
%\label{tab:Kalttest_Messgroessen}
\footnotesize
\rowcolors{2}{}{myTableShading}
%\begin{tabular}{@{\kern\tabcolsep}l<{\kern\tabcolsep}} %
\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}X<{\kern\tabcolsep}} %
\cellcolor{myTableHeadingShading} Messgrößen \\
Schlepp-Drehmoment \\
Drehzahl und Winkelposition der Kurbelwelle \\
Ansaugdruck vor der Drosselklappe (Ansaugadapter Position 1) \\
Ausgangsdruck am Turbolader-Verdichter (Ansaugadapter Position 2) \\
Abgasdruck am Ausgang der Abgasturbolader-Turbine (Abgasadapter) \\
Saugrohrdruck und -temperatur \\
Position der Ladungsbewegungsklappen \\
Position des Wastegate \\
Öldruck und -temperatur \\
Kraftstoffdruck Niederdruck- und Hochdrucksystem \\
Position des Kühlwasserreglers \\
Kühlwassertemperatur \\
Unterdruck der Vakuumpumpe \\
Nockenwellengebersignal, Kurbelwellengebersignal, Nockenwellenverstellwinkel \\
Rückwurfsignal des variablen Ventilhubs \\
Stromaufnahme und Ansteuersignale der Aktoren \\ %Wastegate-Steller, Schubumluftventil, Ölpritzdüsen-Ventil, Kraftstoff-Mengensteuerventil, Drosselklappensteller, Steller der Kühlwasserregelung, Nockenwellenversteller-Ventile, Hochdruck- und MP-Kraftstoffinjektoren, Zündkerzen
Körperschallaufnehmer und Laservibrometer am Kurbelgehäuse \\
Luftschall-Mikrofone \\
Klopfsensor \\
Umgebungstemperatur und Luftdruck \\
Versorgungsspannungen \SI{5}{V} und \SI{12}{V}
\end{tabularx}
\end{table}
Eine große Bedeutung kommt dabei den Luft- und Körperschallsignalen zu die über Mikrofone und Schwingungssensoren gemessen werden, da sich über diese Signale viele Fehler erkennen lassen \cite{Jonuscheit2000}, \cite[][3]{Hametner2001}, \cite[][59-62]{Brummet2006}. Bei der Bewertung der Luft- und Körperschall ist es vorteilhaft, dass im Prüfling Verbrennung erfolgt und daher kein Verbrennungsgeräusch auftritt \cite{Delvecchio2007}.
%==============================================================================
\subsection{Ablauf der Prüfung}
%==============================================================================
%\texttodo{Foto Prüfling vorbereitet [Wiederer2015, p. 27]}
Die nachfolgende Beschreibung des Prüfablaufs orientiert sich an der Arbeit von Wiederer \cite[][28-32, 36-38]{Wiederer2015}. Beschreibungen von Kalttest-Prüfläufen finden sich auch bei Hametner \cite[][26\psq]{Hametner2001}, Gronowski \cite[][14\psq]{Gronowski2004} und Brummet \cite[][21\psq, 71, 82]{Brummet2006}.
Nach der Montage werden die Prüflinge zunächst außerhalb der Prüfstände für die Prüfung vorbereitet. Dazu zählt die Ölbefüllung, die Verkabelung der Sensoren und Aktoren zum Elektronik-Adapter und die Schlauchverbindung für Kraftstoff und Öldruck zur Multikupplungsplatte. Der gesamte Prüfvorgang ab dem Einfahren des Prüflings in den Prüfstand erfolgt vollautomatisch. Zunächst wird im Spannvorgang die Verbindung der Antriebswelle zur Kurbelwelle des Prüflings hergestellt. Ein Industrieroboter bringt den passenden Ansaug- und Abgasadapter am Prüfling an. Der Ansaugadapter wird dabei zunächst in Position 1 (siehe \figref{fig:schema_pruefstand}) gebracht. Erst im letzten Teil der Prüfung positioniert der Roboter den Ansaugadapter auf Position 2, um den Luftdurchsatz für die Turboladerprüfung zu erhöhen und den Ladedruck am Verdichterausgang zu messen. Zu diesem Zweck lassen sich auch die Drosseldurchmesser in den Adaptern durch die Prüfsoftware verstellen.
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{drehzahlverlauf_pruefung}
\caption[Schematischer Drehzahlverlauf einer Kalttestprüfung]{Schematischer Drehzahlverlauf einer Kalttestprüfung mit Teilprüfungen, vgl. \cite[][38]{Wiederer2015}}
\label{fig:drehzahlverlauf_pruefung}
\end{figure}
Der eigentliche Prüflauf mit der Betätigung von Aktoren und der Erfassung von Messsignalen ist zeitlich in Teilprüfungen mit unterschiedlichem Fokus der Prüfung gegliedert. Den Drehzahlverlauf und die einzelnen Teilprüfungen zeigt \figref{fig:drehzahlverlauf_pruefung}. Im Verlauf der Prüfung ist bei groben Fehlern (z.B. Welle blockiert oder elektrische Steckverbindung nicht kontaktiert) ein vorzeitiger Abbruch möglich. Dies dient einerseits dem Schutz von Prüfling und Prüfstand, andererseits als Einsparung von Prüfzeit bei einem bereits absehbaren \ac{niO}-Prüfergebnis.
Beim Start der Prüfung werden zunächst im Stillstand die elektrischen Bauteile des Motors mit Spannung versorgt und deren korrekte Verkabelung geprüft. Dazu zählen auch das Zünd- und das Einspritzsystem.
Im zweiten Schritt beginnt die E-Maschine den Prüfling bis auf eine Drehzahl von \SI{60}{1/min} anzutreiben, während das Losbrechmoment bestimmt wird. Nach Erhöhung der Drehzahl auf \SI{400}{1/min} fährt das System für variablen Ventilhub in Grundstellung. Auf eine weitere Drehzahlerhöhung auf \SI{1000}{1/min} folgt der Aufbau des Öldrucks durch die motorinterne Ölpumpe und die Prüfung der mechanischen Verstelleinheiten für Nockenwelle, Ventilhub usw.
Aufgrund der starken Drosselung im Ansaugtrakt durch die Blende am Ansaugadapter während des Kalttests entsteht bei geöffneten Ventilen eine starke Rückströmung der Luft vom Auslass über die Brennräume der Zylinder hin zum Einlass. Es bestehen also besondere Betriebsbedingungen im Kalttest, die im Heißtest aufgrund der Kraftstoffverbrennung so nicht umsetzbar sind. Eine zylinderselektive Überprüfung der Motor-Grundmechanik lässt sich am besten bei niedriger Drehzahl durchführen, weshalb für die eigentliche Mechanik-Prüfung die Drehzahl auf \SI{120}{1/min} reduziert wird. Durch das langsame Aufeinanderfolgen der Ansaug- und Ausschiebe-Vorgänge ist eine gute Zuordnung der Drucksignale am Einlass und Auslass und des Schleppmoments zu den einzelnen Zylindern möglich. Nach Abschluss der Mechanik-Teilprüfung folgt das Versetzen des Ansaugadapters vom Saugrohr zum Einlass des Turbolader-Verdichters durch den Roboter. Die finale Teilprüfung ist auf den Turbolader fokussiert. Um die Turbine im Turbolader auf Drehzahl zu bringen ist ein großer Luftdurchsatz im Prüfling nötig, daher läuft die Turbolader-Prüfung mit Kurbelwellen-Drehzahlen bis \SI{3000}{1/min}. Nach der Turbolader-Prüfung ist der eigentliche Prüflauf beendet, der Antrieb wird angehalten. Der Prüfling wird automatisch ausgespannt und fährt aus dem Prüfstand. Parallel wertet die Prüfstands-Software die digitalisierten Messsignale aus und berechnet die Istwerte der Prüfmerkmale.
Anhand der Istwerte erfolgt die \ac{iO}/\ac{niO}-Bewertung der Prüfung. Bei einer \ac{niO}-Bewertung fährt der Prüfling vom Prüfstand in eine \ac{niO}-Schleife, in der ein Mechaniker anhand der Messsignale über die Art des Fehlers entscheidet.
Einfache Fehler (z.B. fehlende Steckverbindung) werden sofort beseitigt und der Prüfling erneut geprüft. Bei größeren Fehlern kommt der Prüfling zu einem Nacharbeitsplatz und wird zerlegt/analysiert \cite{Sagerer1997}, \cite[][11]{Gronowski2004}.
% \texttodo{Anzahl der \ac{EOL}-Prüfstände: Dauer der Kalttest-Prüfung wenige Minuten, Linientakt kürzer, mehrere Prüfstände}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
\section{Berechnung und Bewertung von Prüfmerkmalen}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
Der grobe Signalfluss von der Anregung des Prüflings bis zum Prüfergebnis wurde bereits in \figref{fig:schema_signalverarbeitung} dargestellt. Im Detail erfasst die Messtechnik die elektrischen Messsignale je nach Teilprüfung in äquidistanten Zeit- oder Kurbelwinkelabständen. Die darauf folgende digitale Signalverarbeitung hat wesentliche Bedeutung für die Auswertung der Luft- und Körperschallsignale. Der Grund dafür liegt in deren komplexen Signalzusammensetzung. Eingesetzte Methoden der Signalverarbeitung für Luft- und Körperschallsignale sind z.B. die Ordnungsanalyse, Fouriertransformationen, Leistungsdichtespektren, Sonagramme und das Cepstrum. Grundlagen der Sensorik und Signalverarbeitung für Vibrationssignale beschreiben Garibaldi und Antoni \cite{Garibaldi2004}. Die Einführung am Beispiel der Turbolader-Prüfung bei Vierzylinder-Ottomotoren findet sich in der Arbeit von Brummet \cite[][23-48]{Brummet2006}. Die genaue Auswahl der Signalverarbeitungsmethoden ist spezifisch an einzelne Motorbauteile und mögliche Fehlerfälle angepasst. So unterscheiden sich z.B. die Drehzahlen und damit die relevanten Ordnungen (Vielfache der Kurbelwellendrehzahl) für den Kurbeltrieb (Kurbelwellendrehzahl), Ventiltrieb (halbe Kurbelwellendrehzahl), Ausgleichswellen (doppelte Kurbelwellendrehzahl) und einzelne Zahnräder (Zahneingriffsfrequenzen) \cite{Jonuscheit2000} \cite[][32-44]{Hametner2001}. Delvecchio et al. \cite{Delvecchio2007, Delvecchio2007b, Delvecchio2010, Delvecchio2012, Delvecchio2015} haben in mehreren Veröffentlichungen die Signalverarbeitung speziell für Körperschallsignale im Kalttest von Otto- und Dieselmotoren weiterentwickelt. Da in der vorliegenden Arbeit im Prüfalgorithmus eine rein datenbasierte und möglichst merkmalsneutrale Methodik verfolgt wird, ist die genaue Abfolge der Verarbeitungsschritte in der digitalen Signalverarbeitung von untergeordneter Bedeutung.
\begin{figure}
\centering
\subcaptionbox{unauffälliges Signal}
{
\centering
\includegraphics{window_iO}
\label{fig:window_iO}
}
% ---------------
\subcaptionbox{auffälliges Signal}
{
\centering
\includegraphics{window_niO}
\label{fig:window_niO}
}
\caption[Bestimmung des Istwertes eines Prüfmerkmals]{Bestimmung des Istwertes eines Maximum-Prüfmerkmals mit unauffälligem und auffälligem Beispielsignal, vgl. \cite{Wiederer2016}}
\label{fig:window}
\end{figure}
Der Signalverarbeitung folgt die Berechnung der Istwerte für alle Prüfmerkmale. Ein Beispiel hierfür zeigt \figref{fig:window}. Die Auswertung erfolgt dabei in einem vorab durch das Prüfprogramm für jedes Prüfmerkmal festgelegten Abszissenbereich des zu prüfenden Signals. Im Beispiel ist in der Abszissenrichtung die Zeit $t$ aufgetragen, entsprechend wird das Signal $y(t)$ nur im festgelegten Zeitbereich ausgewertet um den Istwert für dieses Prüfmerkmal zu erhalten. Andere mögliche Abszissendimensionen sind der Kurbelwinkel oder bei entsprechender vorgelagerter Signalverarbeitung z.B. die Frequenz oder Drehzahl-Ordnung. Innerhalb des relevanten Signalabschnitts kommt eine Auswertefunktion entsprechend des Merkmalstyps zur Anwendung, die den Signalverlauf auf einen skalaren Merkmals-Istwert pro Merkmal reduziert. Im Beispiel wird das Maximum $\max(y(t))$ ausgewertet, es handelt sich also um ein Merkmal vom Typ Maximum. Eine Übersicht einfacher Merkmalstypen zeigt \tabref{tab:Auswertefunktionen}. Praktisch ist die Berechnung der Merkmals-Istwerte gleichzusetzen mit einer auf den Prüfling angepassten Datenreduktion, bei der das Vorwissen über die für die Prüfung relevanten Eigenschaften des Prüflings in der Definition der Merkmale steckt \cite[][p. 298]{Venkatasubramanian2003}.
%Praktisch liegen die Messsignale zum Zeitpunkt der Berechnung der Merkmals-Istwerte in digital abgetasteter Form vor, d.h. es handelt sich um eine Abfolge von $\numS$ Messwerten $y\bracks{\indexS}, \indexS \in \msbegin{1, \, \ldots, \, \numS}$.
\begin{table}
\centering
\caption[Übersicht über gängige Merkmalstypen]{Übersicht über gängige Merkmalstypen zur Bestimmung von Merkmals-Istwerte}
\footnotesize
\label{tab:Auswertefunktionen}
%\rowcolors{2}{}{myTableShading}
%\begin{tabular}{@{}lll@{}}
%\begin{tabular}{@{\kern\tabcolsep}lll<{\kern\tabcolsep}} %
\begin{tabularx}{\textwidth}{@{}llX@{}}
\toprule
Bezeichnung & Kürzel & Beschreibung \\
\midrule
Minimum & min & minimaler Wert des Signals \\ % k ok, d ok
Maximum & max & maximaler Wert des Signals \\ % k ok, d ok
Position Minimum & xmin & Abszissen-Position des Minimums des Signals \\ % k ok, d ok
Position Maximum & xmax & Abszissen-Position des Maximums des Sginals \\ % k ok, d ok
Mittelwert & mean & Mittelwert des Signals \\ % k ok (int), d ok (sum)
Peak-to-Peak & diff & Differenz zwischen Maximum des Signals und Minimum des Signals \\ % k ok, d ok
Integral & int & Integral des Signals \\ % k ok, d nok (trapz)
Absolutwert-Integral & absint & Integral des Absolutwertes des Signals \\ % k ok (int), d nok (trapz)
Nulldurchgänge & null & Anzahl der Nulldurchgänge des Signals \\ % k nok, d ok
Position Nulldurchgang & xnull & Position des ersten Nulldurchgangs des Signals \\ % k nok, d ok
% weitere: Crestfactor, Kurtosis, RMS, Skewness
\bottomrule
\end{tabularx}
\end{table}
Aus dem Abszissenbereich sowie der oberen und unteren Grenze für den ermittelten Istwert ergibt sich für jedes Prüfmerkmal ein Fenster. Dieses Fenster legt bei der konventionellen Herangehensweise mit manuell definierten Prüfgrenzen ein Prüfingenieur im Prüfprogramm fest. Es wird im Prüfstand für die \ac{iO}-/\ac{niO}-Bewertung verwendet. Befinden sich die Istwerte aller Prüfmerkmale eines Prüflings innerhalb der jeweiligen Grenzen, dann erfolgt eine \ac{iO}-Bewertung. Sobald eines der Merkmale seine Grenzen verlässt, gilt die Prüfung als \ac{niO} bewertet. Eine Beschreibung der Fenstertechnik findet sich z.B. bei Meier \cite[][44\psq]{Meier1992}. Sie ist der verbreitete Standard in der Kalttestprüfung und darüber hinaus in der Überwachung zahlreicher Herstellprozesse wie z.B. Schraubvorgänge.
Typisch für die manuelle Parametrierung der Prüfgrenzen im Prüfprogramm ist die Analyse von Messdaten (Istwerten von Prüfmerkmalen) manuell selektierter \ac{iO}-Prüflinge und manuell in Prüflinge eingebauter, definierter Fehlerfälle (\glqq{}Mapping\grqq) \cite[][97-105]{Meier1992}, \cite{Jonuscheit2000}.
Die Prüfgrenzen richten sich also nicht primär nach bei der Entwicklung des Prüflings festgelegten Toleranzen, sondern werden im Sinne einer vergleichenden Prüfung anhand der Serienstreuung der laufenden Produktion festgelegt. Eine grobe Parametrierung der Prüfgrenzen kann unter Umständen bereits beim Hersteller des Prüfstandes erfolgen, die dort festgelegten Prüfgrenzen sind in der Regel sehr weit \cite[][20]{Gronowski2004}. Die laufende Anpassung erfolgt dann nach heutigem Stand bei laufender Produktion manuell mit einfachen Methoden wie z.B. Histogrammen \cite[][20-21]{Gronowski2004}.
Gronowski \cite[86][]{Gronowski2004} hat in seiner Arbeit festgestellt, dass das volle Potential der Kalttest-\ac{EOL}-Prüfung nur erreicht wird, wenn eine kontinuierliche Anpassung der Prüfprogramme inkl. Prüfgrenzen anhand von realen Messdaten aus der laufenden Produktion erfolgt.
Beachtenswert ist, dass die Abläufe bei dieser manuellen Herangehensweise teilweise ähnlich zu den Methoden der \ac{SPC} sind (vgl. \secref{sec:SPC}).
Bzgl. algorithmischer bzw. lernfähiger Verfahren zur Festlegung der Prüfgrenzen im Kalttest beschreibt Meier \cite[][4]{Meier1992} Auswerteverfahren, die er der künstlichen Intelligenz zuordnet. Im Rahmen der Arbeit ist festgestellt worden, dass die Inbetriebnahme neuer Prüfstände oder Änderungen an der Motorkonstruktion erheblichen Aufwand bei der manuellen Neuparametrierung der Prüfgrenzen in Form von Fenstern erzeugen. Als Lösungsansätze wurden Expertensysteme und neuronale Netze untersucht. Bei den Expertensystemen werden weiterhin manuell die zulässigen \ac{iO}-Toleranzen sowie die Zuordnung von Signalabweichungen zu Fehlerursachen angegeben, nur die Auswertung erfolgt automatisiert \cite[][45-47]{Meier1992}. Eine genauere Beschreibung der verwendeten Algorithmen neuronaler Netze ist nicht vorhanden, die Arbeit kann aber den bereits in \secref{subsec:introduction_databased} beschriebenen datenbasierten Verfahren zur Fehlererkennung zugeordnet werden. Einen ähnlichen Ansatz zur Klassifikation mit neuronalen Netzen beschreiben Jonuscheit und Strama \cite{Jonuscheit2000}. Grundlegend erwähnt (aber nicht weitergehend untersucht) werden modellbasierte Verfahren (vgl. \secref{subsec:introduction_modelbased}) und datenbasierte Verfahren (vgl. \secref{subsec:introduction_databased}) zur Fehlererkennung im Kalttest von Garibaldi, Antoni und Delvecchio \cite{Garibaldi2004, Delvecchio2012}. Wiederer \cite{Wiederer2015} hat außerdem ein auf den Kalttest von Ottomotoren zugeschnittenes 0D-Simulationsmodell erstellt, das sowohl zufällig verteilte Bauteilabweichungen als auch Fehlerfälle der Motor-Grundmechanik und Gasdynamik wiedergeben kann.
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
\section{Verwendete Beispieldatensätze und Prüfmerkmale}
\label{eq:Datasets}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
Die Untersuchungen in den nachfolgenden Kapitel erfolgen beispielhaft anhand von Datensätzen aus der Motorenproduktion der AUDI AG in Győr, Ungarn. Bei den Prüflingen handelt es sich um Vierzylinder-Viertakt-Ottomotoren vom Typ EA888 der dritten Generation mit \SI{2.0}{l} Hubraum und Abgasturbolader. Eine Beschreibung des Motors findet sich bei Eisner et al. \cite{Eiser2011} und Heiduk et al. \cite{Heiduk2011}. Details zur \ac{EOL}-Prüfung dieses Motortyps behandelt Wiederer \cite{Wiederer2015, Wiederer2016}.
Die Kalttestprüfung dauert pro Prüfling ca. eineinhalb Minuten und umfasst \num{95} Messkanäle in \num{26} Teilprüfungen, die in insgesamt \num{346} erfassten Signalen pro Prüflauf resultieren. Ausgewertet werden \num{334} % nnz((~flagsEnvironmentalScalarWindows) & (featureDataCalcEnv.tableWindows.isScalar) )
zu prüfende Merkmale, deren Wertebereiche teilweise kontinuierlich und teilweise ganzzahlig sind.
Ganzzahlige Merkmalswerte entstehen bei der Zählung von Nulldurchgängen mit dem Merkmalstyp \glqq{}null\grqq (siehe \tabref{tab:Auswertefunktionen}), da ein Signal im gegebenen Abszissenbereich eines Merkmals nur eine ganzzahlige Anzahl an Nulldurchgängen aufweisen kann. Ein Anwendungsfall für solche Merkmale sind die Signale der Winkelgeber an Kurbel- und Nockenwelle, die einen rechteckförmigen Verlauf mit einer festen Anzahl an Signalflanken je Umdrehung aufweisen.
Da bei Merkmalen mit ganzzahligem Wertebereich ein einziger als \ac{iO} gültiger Istwert festgelegt werden kann, sind die Prüfgrenzen einfach festzulegen und der Einsatz lernfähiger Algorithmen nicht interessant. Dementsprechend verbleiben
\num{326} % numel(idWindowRate)
Prüfmerkmale mit kontinuierlichem Wertebereich für die weitere Untersuchung.
Die Messdaten stammen von vier in die Montagelinie integrierten \ac{EOL}-Prüfständen gleicher Bauart. In diesen Prüfständen werden alle auf der Montagelinie hergestellten Motortypen geprüft, darunter befinden sich auch Prüflinge mit \SI{1.8}{l} Hubraum. Um die Anzahl der Prüfprogramme überschaubar zu halten sind zueinander weitgehend gleiche Motortypen in gemeinsamen Prüfprogrammen zusammengefasst. Dies betrifft z.B. Typen mit fahrzeugspezifische Änderungen an der Saugstrecke, ansonsten aber gleichem Motoraufbau. Die nachfolgenden Untersuchungen umfassen drei Motortypen, die heute alle im gleichen Prüfprogramm und entsprechend mit den gleichen Prüfgrenzen geprüft werden. \Tabref{tab:Dataset} zeigt eine Übersicht über die Anzahl der Prüfläufe je untersuchtem Motortyp und Prüfstand. Erfasst wurden die Prüfläufe über einen Gesamtzeitraum von \num{138} Tagen.
\begin{table}
\caption[Übersicht über die Zusammensetzung der untersuchten Beispieldatensätze]{Übersicht über die Zusammensetzung der untersuchten Prüfläufe in den Beispieldatensätzen (gesamt, \ac{iO}, \ac{niO}) gemäß der manuellen Prüfgrenzen \textfixme{Tabelle formatieren; centering?} }
\label{tab:Dataset}
\footnotesize
\begin{tabular}{llllll}
\toprule
%\begin{tabularx}{\textwidth}{@{\kern\tabcolsep}XXXXXX<{\kern\tabcolsep}} %
Motortyp & Prüfstand P1 & Prüfstand P2 & Prüfstand P3 & Prüfstand P4 & Summe \\
\midrule
Motortyp M1 & 5897, 5516, 381 & 2548, 2348, 200 & 4392, 4135, 257 & 6130, 5714, 416 & 18967, 17713, 1254 \\
Motortyp M2 & 385, 356, 29 & 144, 139, 5 & 266, 257, 9 & 420, 402, 18 & 1215, 1154, 61 \\
Motortyp M3 & 489, 437, 52 & 232, 212, 20 & 350, 321, 29 & 518, 468, 50 & 1589, 1438, 151 \\
Summe & 6771, 6309, 462 & 2924, 2699, 225 & 5008, 4713, 295 & 7068, 6584, 484 & 21771, 20308, 1466 \\
\bottomrule
\end{tabular}
\end{table}
% \num{64} Umgebungsmerkmale inkl. selbst erstellter und berechneter % nnz(idWindowEnvironmental)
% \num{62} Umgebungsmerkmale inkl. selbst erstellter ohne berechneter % nnz(idWindowEnvironmental<9900)
% \num{23} Umgebungsmerkmale aus Original-Prüfprogramm % nnz(idWindowEnvironmental<minIdWindowCalcEnv)
%\texttodo{Bild Prüfling einfügen, vgl. Ausarbeitung Wiederer?}
%\texttodo{Bild Signal Kurbelwellengeber einfügen?}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
\section{Rahmenbedingungen für lernfähige \ac{EOL}-Prüfsysteme}
\label{sec:RequirementsAndPotentials}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
In diesem Abschnitt werden die Voraussetzungen für den Einsatz lernfähiger \ac{EOL}-Prüfsysteme analysiert und anhand der vorhandenen Beispieldatensätze aus der \ac{EOL}-Prüfung von Verbrennungsmotoren verdeutlicht. Da eine Darstellung aller \num{344} relevanten Prüfmerkmale hinsichtlich jedes behandelten Aspektes den Umfang dieser Arbeit sprengen würde, erfolgt die Analyse anhand ausgewählter Beispielmerkmale welche den jeweiligen Sachverhalt besonders verdeutlichen. Parallel erfolgt eine Analyse zu erwartender Potentiale beim Einsatz lernfähiger Systeme, deren Realisierbarkeit die nachfolgenden Kapitel untersuchen.
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Fortlaufende Weiterentwicklung der Prüfgrenzen}
\label{sec:EOLContinuousDevelopment}
%-----------------------------------------------------------------------------
In der realen Großserienproduktion treten regelmäßig Änderungen sowohl an den Produkten als auch am Produktionsprozess einschließlich der Prüfumgebung auf. Beispiele für Änderungen an den Produkten sind im Zusammenhang mit der Motormontage die Einführung neuer Motortypen und die Änderung von Zulieferteilen. Zu beachten ist, dass Optimierungen an den Produkten und deren Herstellung die im Normalbetrieb keine Auswirkungen auf das Produktverhalten haben, sehr wohl erkennbare Veränderungen der Istwerte der Prüfmerkmale in der \ac{EOL}-Prüfung hervorrufen können. Mögliche Änderungen in der Prüfumgebung sind einerseits hardwareseitige Eingriffe in die Prüfstände und deren Messtechnik. Andererseits haben Änderungen am Prüfprogramm über die Anregung des Prüflings direkte Auswirkung auf die Istwerte der Prüfmerkmale (vgl. \figref{fig:schema_signalverarbeitung}).
Veränderungen der Istwerte der Prüfmerkmale führen unabhängig von deren Herkunft aus Produkt- oder Prozessänderungen zu einem Anpassungsbedarf der Prüfgrenzen dieser Merkmale. Dies betrifft manuell gesetzte Prüfgrenzen genauso wie algorithmisch arbeitende, lernfähige Systeme. Es reicht also beim Einsatz eines lernfähigen Prüfalgorithmus nicht aus, Modellparameter und Prüfgrenzen einmalig zu bestimmen und fortan unverändert zu nutzen. Vielmehr müssen die Eigenschaften der Prüflinge regelmäßig neu bestimmt werden. Da ein lernfähiges Prüfsystem diese Aktualisierungen im Idealfall selbsttätig vornehmen kann, entsteht hieraus ein Potential der Arbeitserleichterung gegenüber manuell gesetzten Prüfgrenzen.
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Aufteilung in Offline- und Online-Komponenten}
\label{sec:EOLSplit}
%-----------------------------------------------------------------------------
Aufgrund der Integration der \ac{EOL}-Prüfstände in die Produktionslinie und einer Prüfquote von bis zu \SI{100}{\percent} müssen \ac{EOL}-Prüfstände in der Lage sein, die produzierte Menge an Prüflingen innerhalb des Produktionstaktes zu prüfen.
Bei langer Dauer der Prüfläufe (Prüfzeit) ist eine größere Anzahl an \ac{EOL}-Prüfständen erforderlich, was sich in entsprechend höheren Kosten für Investitionen und Betrieb niederschlägt.
Da das Prüfergebnis nach Abschluss des Prüflaufs über den weiteren Transport des Prüflings entscheidet, zählt zur Prüfzeit neben dem eigentlichen Prüflauf auch die erforderliche Zeit für die Bewertung der Messdaten. Aus diesem Grund ist die Prüfzeit möglichst kurz zu halten, und die Auswertung und Bewertung der Messsignale bis zum Prüfergebnis (vgl. \figref{fig:schema_signalverarbeitung}) muss möglichst schnell erfolgen. Eine erst nachträgliche Bewertung z.B. aller Prüflinge eines Produktionsloses ist nicht wünschenswert, da dadurch der Logistikprozess gestört wird - Prüflinge müssten eingelagert werden.
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{schema_pruefung}
\caption[Schematischer Aufbau eines lernfähigen \ac{EOL}-Prüfsystems]{Schematischer Aufbau eines lernfähigen \ac{EOL}-Prüfsystems mit Offline-Trainingskomponente und Online-Prüfkomponente}
\label{fig:schema_pruefung}
\end{figure}
% \textfixme{Beim Prüfling Messdaten oder Istwerte erwähnen; Prüfergebnis einzeichnen; Bild umbauen gemäß Skizze für chapter_static}
Im Gegensatz zum linienintegrierten Prüfbetrieb sind Anpassungen am Prüfprogramm inkl. der Prüfgrenzen nicht zeitkritisch. Der Aufbau eines lernfähigen Prüfsystems gliedert sich daher in eine zeitkritische, onlinefähige Prüfkomponente und eine nicht-zeitkritische Offline-Trainingskomponente. \Figref{fig:schema_pruefung} stellt die Komponenten eines lernfähigen \ac{EOL}-Prüfsystems auf dieser Abstraktionsebene dar. Anhand historischer Messdaten aus den Prüfständen und Nutzereinstellungen erzeugt die Trainingskomponente einen Satz an Modellparametern, der als Teil des Prüfprogramms an die Prüfkomponente übermittelt wird. Diese führt die Bewertung der Prüfläufe online aus. Über die ermittelten Messdaten nachfolgender Prüfläufe schließt sich der Kreis zur Trainingskomponente, die mit neuen Messdaten aktualisierte Parametersätze für das Prüfprogramm berechnen kann. Als tolerierbare Dauer der Bewertung in der Online-Prüfkomponente vom Vorhandensein der Merkmals-Istwerte bis zur Ausgabe des Prüfergebnisses wird im Folgenden eine Größenordnung von \SI{1}{s} angenommen. Im Prüfstand steht gewöhnliche PC-Hardware zur Verfügung. Für die Offline-Trainingskomponente wird eine tägliche Aktualisierung der Prüfprogramme als ausreichend angesehen, wobei hier bei Bedarf auf entsprechend leistungsfähigere Serversysteme und eine Parallelisierung der Rechenvorgänge zurückgegriffen werden kann.
Für den Produktionsbetrieb ist neben der Online-Fähigkeit der Prüfkomponente auch ein möglicher temporärer Ausfall der Datenverbindung zwischen Trainings- und Prüfkomponente relevant. Die Prüfkomponente soll also mit Hilfe der Informationen im Prüfprogramm zumindest zeitweilig eigenständig lauffähig sein.
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Unterscheidung von Untergruppen in den Messdaten}
\label{sec:EOLDistinguishGroups}
%-----------------------------------------------------------------------------
Wie in \secref{eq:Datasets} dargestellt wurde, sind in den bestehenden Prüfprogrammen der Motorenprüfung teilweise mehrere Motortypen zusammengefasst und verfügen damit auch über die gleichen Prüfgrenzen. Dieser Umstand ist dem Aufwand für die manuelle Pflege der Prüfprogramme geschuldet. Beim Einsatz lernfähiger Systeme in der \ac{EOL}-Prüfung bietet sich die Möglichkeit, solche Untergruppen in den Messdaten aufzugliedern und gesondert zu behandeln und so das Verhalten der Prüflinge genauer zu charakterisieren. Eine weitere Ursache für erkennbare Untergruppen in den Istwerten der Prüfmerkmale ist die Nutzung mehrerer Prüfstände. Da es sich um komplexe mechatronische Systeme handelt treten bauartbedingt und durch unterschiedliche Abnutzung prüfstandsspezifische Unterschiede in den Istwerten auf, die sich auch durch Kalibrierung und Wartung nicht völlig vermeiden lassen. \Figref{fig:unterschiede_pruefstaende_kerndichte} stellt beispielhaft anhand eines Prüfmerkmals die Verteilung der Istwerte an den vier untersuchten Prüfständen gegenüber. Die Istwerte unterscheiden sich hier bezogen auf die jeweilige Streuung deutlich. Die ebenfalls eingezeichneten manuell gesetzten Prüfgrenzen decken einen großen Wertebereich ab, der die Gesamtstreuung über alle Prüfstände hinweg nochmals überschreitet.
\begin{figure}
\centering
\setlength\figurewidth{.9\columnwidth}
\setlength\figureheight{.45\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Istwert $y$ des Prüfmerkmals}
\renewcommand\figureYLabel{Kerndichteschätzung für $\pdfBr{\meas}$}
\footnotesize
%\mytikzexton
\input{"graphics/P1015 02(all) 03/001 windowGroup=001, kernel density.tikz"}
\mytikzextoff
\caption[Kerndichteschätzung bei Unterscheidung mehrerer Prüfstände]{Kerndichteschätzung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion $\pdfBr{\meas}$ für das Prüfmerkmal \num{1} % idWindow = 1
über die vier Prüfstände P1 \lineWithParens{myLineOne}, P2 \lineWithParens{myLineTwo}, P3 \lineWithParens{myLineThree} und P4 \lineWithParens{myLineFour} bei Motortyp M1. Eingetragen sind auch die manuell gesetzten Prüfgrenzen \dashedLineWithParens{myManualLimits}. Verwendet wurden nur Daten von Prüflingen, die bei ihrem ersten Prüflauf ein \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen erhalten haben.}
\label{fig:unterschiede_pruefstaende_kerndichte}
\end{figure}
Vergleichbar stellt sich die Situation bei Motortypen dar, die heute in einem Prüfprogramm zusammengefasst und damit mit den selben Prüfgrenzen geprüft werden. \Figref{fig:unterschiede_motorvarianten_kerndichte} zeigt die Verteilung der Istwerte der der drei untersuchten Motortypen. Während die Motortypen M1 und M2 ein sehr ähnliches Verhalten aufweisen, weicht M3 in diesem Beispielmerkmal deutlich davon ab. Die manuell gesetzten Prüfgrenzen sind wiederum weiter gesetzt, als es die gemeinsame Streuung über die Motortypen hinweg erwarten lässt.
\begin{figure}
\centering
\setlength\figurewidth{.9\columnwidth}
\setlength\figureheight{.45\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Istwert $y$ des Prüfmerkmals}
\renewcommand\figureYLabel{Kerndichteschätzung für $\pdfBr{\meas}$}
\footnotesize
%\mytikzexton
\input{"graphics/P1015 02(all) 04/001 windowGroup=001, kernel density.tikz"}
\mytikzextoff
\caption[Kerndichteschätzung bei Unterscheidung mehrerer Motortypen]{Kerndichteschätzung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion $\pdfBr{\meas}$ für das Prüfmerkmal \num{48} % idWindow=53
über die drei Motortypen M1 \lineWithParens{myLineOne}, M2 \lineWithParens{myLineTwo} und M3 \lineWithParens{myLineThree} am Prüfstand P2. Eingetragen sind auch die manuell gesetzten Prüfgrenzen \dashedLineWithParens{myManualLimits}. Verwendet wurden nur Daten von Prüflingen, die bei ihrem ersten Prüflauf ein \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen erhalten haben.}
\label{fig:unterschiede_motorvarianten_kerndichte}
\end{figure}
Als Potential für lernfähige Systeme ergibt sich durch eine feinere Unterscheidung von Untergruppen in den Messdaten eine höhere Prüfschärfe, wenn der Trainingsalgorithmus die Prüfgrenzen auf jede Untergruppe spezifisch angepasst. Problematisch ist dabei die verringerte Anzahl der Prüflinge je Untergruppe. Stehen für den Trainingsvorgang einer Untergruppe nur sehr wenige Motoren zur Verfügung, dann ist die Parameterschätzung im Trainingsvorgang möglicherweise ungenau.
Über die anhand ihrer Herkunft von verschieden Prüfständen und/oder Motortypen zuordenbaren Untergruppen hinaus ist außerdem auffällig, dass in \figref{fig:unterschiede_pruefstaende_kerndichte} die geschätzte Wahrscheinlichkeitsdichte $\pdfBr{\meas}$ für den Motortyp M1 und den Prüfstand P1 zwei lokale Maxima aufweist, d.h. es handelt sich um eine multimodale Verteilung. Eine weitergehende Untersuchung aller Prüfmerkmale zeigt, dass eine solche Aufspaltung von Messdaten des gleichen Prüfstandes und des gleichen Motortyps bei ca. \SI{15}{\percent} der Prüfmerkmale auftritt. \Figref{fig:unterschiede_innerhalb_untergruppe} zeigt ein Merkmal mit ausgeprägter Multimodalität, die sich über alle drei Motortypen vergleichbar verhält. Mögliche Ursachen für multimodale Verteilungen sind z.B. wechselnde (interne oder externe) Lieferanten von Motorbauteilen oder vergleichbare, in der \ac{EOL}-Prüfung nicht bekannte Störfaktoren. Einfache Schätzverfahren wie sie in \chref{ch:basics} vorgestellt wurden sind nicht für stark multimodale Verteilungen geeignet, weshalb dieser Effekt bei den Untersuchungen in den nachfolgenden Kapiteln zu beachten ist.
\begin{figure}
\centering
\setlength\figurewidth{.9\columnwidth}
\setlength\figureheight{.45\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Istwert $y$ des Prüfmerkmals}
\renewcommand\figureYLabel{Kerndichteschätzung für $\pdfBr{\meas}$}
\footnotesize
%\mytikzexton
\input{"graphics/P1015 02(all) 04/002 windowGroup=002, kernel density.tikz"}
\mytikzextoff
\caption[Kerndichteschätzung bei unbekannter Herkunft der Untergruppen]{Kerndichteschätzung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion $\pdfBr{\meas}$ für das Prüfmerkmal \num{239} % idWindow=266
über die drei Motortypen M1 \lineWithParens{myLineOne}, M2 \lineWithParens{myLineTwo} und M3 \lineWithParens{myLineThree} am Prüfstand P2. Eingetragen sind auch die manuell gesetzten Prüfgrenzen \dashedLineWithParens{myManualLimits}. Verwendet wurden nur Daten von Prüflingen, die bei ihrem ersten Prüflauf ein \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen erhalten haben.}
\label{fig:unterschiede_innerhalb_untergruppe}
\end{figure}
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Schiefe der \ac{iO}-Merkmalsverteilungen}
\label{sec:EOLSkewedFeatures}
%-----------------------------------------------------------------------------
Neben der Unimodalität ist eine weitere häufig anzutreffende Modellannahme lernfähiger Algorithmen die annähernde Symmetrie der auftretenden Merkmalsverteilungen. Auch diese Annahme wird von einigen Merkmalen der \ac{EOL}-Prüfung verletzt. \Figref{fig:EOLSkewness} zeigt ein Beispiel mit nur einem Maximum, aber starker Schiefe in $\pdfBr{\meas}$. Häufig treten schiefe Verteilungen bei Luft- und Körperschallmerkmalen auf, da die bewerteten Signalamplituden nur für Werte größer Null physikalisch sinnvoll sind. Wird die Schiefe einer Merkmalsverteilung nicht richtig berücksichtigt, dann können einerseits Annahmen bei der Parameterschätzung verletzt werden. Außerdem werden die unter Annahme von Symmetrie berechneten Prüfgrenzen in den Randbereichen der Verteilung das Verhalten der \ac{iO}-Istwerte nur unzureichend wiedergeben und entweder deutlich zu eng oder zu weit sein.
\begin{figure}
\centering
\setlength\figurewidth{.9\columnwidth}
\setlength\figureheight{.45\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Istwert $y$ des Prüfmerkmals}
\renewcommand\figureYLabel{Kerndichteschätzung für $\pdfBr{\meas}$}
\footnotesize
%\mytikzexton
\input{"graphics/P1015 02(all) 05/001 windowGroup=001, kernel density.tikz"}
\mytikzextoff
\caption[Kerndichteschätzung bei einem Merkmal mit Schiefe]{Kerndichteschätzung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion $\pdfBr{\meas}$ für das Prüfmerkmal \num{311} % idWindow=343
des Motortyps M1 am Prüfstand P2 \lineWithParens{myLineOne}. Eingetragen sind auch die manuell gesetzten Prüfgrenzen \dashedLineWithParens{myManualLimits}. Verwendet wurden nur Daten von Prüflingen, die bei ihrem ersten Prüflauf ein \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen erhalten haben.}
\label{fig:EOLSkewness}
\end{figure}
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Training vorwiegend mit \ac{iO}-Daten und Robustheit gegen falsche Labels}
\label{sec:TrainingiO}
%-----------------------------------------------------------------------------
Wie in \tabref{tab:Dataset} bereits beispielhaft dargestellt wurde, bestehen Datensätze in der \ac{EOL}-Prüfung bei laufender Serienproduktion überwiegend aus \ac{iO}-Prüfläufen. Da \ac{niO}-Prüflinge in der Produktion als unerwünschter, zu minimierender Effekt auftreten kann ein lernfähiges System zu keiner Zeit verlässlich Messdaten aus \ac{niO}-Prüfläufen nutzen. Selbst wenn \ac{niO}-Prüfungen in größerer Zahl vorhanden sein sollten, ist deren Aussagekraft bei Einführung einer neuen Produktvariante u.U. nicht mehr gegeben. Wesentliches Charakteristikum bei der Untersuchung lernfähiger \ac{EOL}-Prüfsysteme ist daher ein sehr starkes Klassenungleichgewicht. Die lernfähige \ac{EOL}-Prüfung kann in diesem Zusammenhang auch als Ein-Klassen-Problem bzw. als Ausreißererkennung interpretiert werden (vgl. \chref{ch:basics}).
Sofern das Training eines lernfähigen Prüfsystems aufgrund der genannten Einschränkung ausschließlich mit \ac{iO}-Daten durchgeführt werden soll, stellt sich die Frage wie diese aus der Gesamtmenge der Messdaten ausgewählt bzw. von den \ac{niO}-Messungen getrennt werden. Soll das Training hingegen sowohl \ac{iO}- als auch \ac{niO}-Daten nutzen, dann sind für den Trainingsalgorithmus in der Regel \ac{iO}-/\ac{niO}-Labels erforderlich. In beiden Fällen stammen die Trainingsdaten wie in \figref{fig:schema_pruefung} dargestellt aus dem laufenden Produktionsprozess, eine verlässliche Zuordnung zur \ac{iO}- bzw. \ac{niO}-Teilmenge ist nicht zu \SI{100}{\percent} garantiert.
Die klassische Herangehensweise für das Erzeugen einer ausreichenden Menge an Trainingsdaten mit verlässlichen Labels ist das manuelle Sichten und kategorisieren der Trainingsdaten. %(\glqq{}Labeln\grqq).
Für die \ac{EOL}-Prüfung würde das bedeuten, dass der Aufwand lediglich von der manuellen Parametrierung von Prüfgrenzen weg und zum Erstellen von Labels für Trainingsdatensätze hin verlagert würde. %Das Erstellen der Labels müsste außerdem für verschiedene Motortypen, Prüfstände, etc. wiederholt werden.
Selbst in diesem Fall ist aber noch mit einer gewissen Quote an falschen Labels in den Trainingsdaten zu rechnen.
Praktisch müssen die verwendeten Algorithmen also mit einem starken Ungleichgewicht zwischen der Anzahl der \ac{iO}- und \ac{niO}-Prüfläufe umgehen können. Zudem müssen sie robust gegenüber einer falschen Zuordnung der Trainingsdaten zur \ac{iO}- bzw. \ac{niO}-Teilmenge sein. In den nachfolgenden Kapitel wird sich zeigen, dass sich beide Aspekte geschickt kombinieren lassen: im Extremfall werden zunächst alle verfügbaren Trainingsdaten als \ac{iO} angenommen und im Trainingsvorgang gegebenenfalls vorhandene \ac{niO}-Prüfläufe aufgrund der Robustheit des Trainingsalgorithmus selbstständig erkannt.
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Notwendigkeit der Prüfung aller Prüfmerkmale}
\label{sec:EOLTestAllFeatures}
%-----------------------------------------------------------------------------
Bei der Verwendung lernfähiger Systeme kommen vor dem eigentlichen Training häufig datenbasierte Verfahren zur Dimensionsreduktion des Merkmalsraumes zum Einsatz. Gründe dafür sind die Abwägung zwischen Bias und Varianz der Schätzergebnisse (vgl. \chref{ch:basics}) und die bessere Interpretierbarkeit der Lösung in einem reduzierten Merkmalsraum \cite[][203\psq]{James2013}. Zusätzlich verringert sich der Rechenaufwand und damit die Hardwareanforderungen bzw. die Rechenzeit bei der Realisierung eines lernfähigen Systems, wenn weniger Merkmale verarbeitet werden. Solche Maßnahmen sind zweckmäßig, wenn die Trainingsdaten das in der Anwendung zu erwartende Ein-/Ausgangsverhalten vollständig abdecken. Diese Voraussetzung ist sowohl für Regressions- als auch Klassifikationsprobleme üblicherweise gegeben. Da in der \ac{EOL}-Prüfung aber primär nur Daten von \ac{iO}-Prüflingen für das Training zur Verfügung stehen, kann aus den Trainingsdaten nicht zuverlässig auf das mögliche Verhalten von \ac{niO}-Prüflingen geschlossen werden. Es sind schlicht zu wenige Beobachtungen von \ac{niO}-Prüflingen vorhanden. Darüber hinaus ist die mögliche Vielfalt an denkbaren Fehlerarten, Fehlerausprägungen und Kombinationen mehrerer Fehler in einem \ac{niO}-Prüfling sehr groß. Eine vollständige Abdeckung des \ac{niO}-Bereiches des Merkmalsraumes durch künstliche Fehlereinbauten ist daher nicht praktikabel.
Als Konsequenz ist eine datenbasierte, automatisierte Dimensionsreduktion der Prüfmerkmale durch eine Vorauswahl von Merkmalen nicht zielführend. Es besteht die Gefahr, dass einige Fehler in einem reduzierten Merkmalsraum nicht mehr erkennbar sind und damit vom lerfähigen Prüfsystem nicht gemeldet werden. Die in der Anwendung auftretenden \ac{niO}-Prüflinge müssen außerdem in keiner Weise die Korrelationen der \ac{iO}-Prüflinge aus dem Trainingsdatensatz einhalten. Daher sind auch Projektionen des Merkmalsraums auf Unterräume (z.B. durch PCA) nur dann verlässlich einsetzbar, wenn anschließend alle Unterräume bzw. Komponenten überwacht werden. Entsprechend nutzen PCA-basierte Verfahren der Fehlererkennung in der Regel auch die Komponenten mit geringer Varianz (vgl. Residual Subspace in \cite{Yin2014b}), die eine reine Dimensionsreduktion hingegen ignoriert.
Vereinfacht dargestellt muss ein lernfähiges System nach wie vor alle Merkmale prüfen, die auch mit manuell gesetzten Prüfgrenzen überwacht wurden, da anhand der \ac{iO}-Messdaten kein zuverlässiges Auswählen einer Teilmenge von relevanten Merkmalen möglich ist. Falls die Anzahl der zu prüfenden Merkmale verringert werden soll, dann ist die Einbeziehung von Anwenderwissen empfehlenswert \cite[][397]{Aggarwal2013}.
% \texttodo{Abbildung Scatter-Plot zwei korrelierte Merkmale mit zwei niO-Samples, einmal im Original-Raum, einmal in (reduziertem) PCA-Raum; niO außerhalb der ersten Hauptkomponente wird nicht entdeckt; Beispiel aus Messung?}
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Korrelationen zwischen Prüfmerkmalen}
\label{sec:EOLCorrelation}
%-----------------------------------------------------------------------------
Praktisch treten bei der \ac{EOL}-Prüfung von komplexen Prüflingen wie Verbrennungsmotoren Korrelationen zwischen den Istwerten der verschiedenen Prüfmerkmale auf. Die Ursachen dafür liegen sowohl in den physikalischen Zusammenhängen im Prüfling als auch in der Festlegung der Prüfmerkmale. Ein anschauliches Beispiel für physikalisch gekoppelte Prüfmerkmale zeigt \figref{fig:EOLTorque}.
Zu erkennen sind die vier Maxima und vier Minima im Schlepp-Drehmoment, die sich grob der Kompression und Dekompression in den jeweiligen Zylindern eines Vierzylinder-Viertaktmotors zuordnen lassen. Das Arbeitsspiel und damit auch der Signalverlauf des Drehmoment-Signals wiederholt sich alle \SI{720}{\degree}.
Mit den acht eingezeichneten Fenstern wird versucht, das zum Schleppen des Prüflings erforderliche Drehmoment den vier Zylindern zuzuordnen. Der Druck im Saugrohr und am Auslass (vgl. \figref{fig:schema_pruefstand}) hat direkten Einfluss auf die Gaskräfte in den einzelnen Zylindern und wirkt auf alle vier Zylinder gleichermaßen. Über den Gasdruck kommt es so zu einer Kopplung der Istwerte von Prüfmerkmalen des Schlepp-Drehmoments. Den Gaskräften in den Zylindern überlagert sind aber außerdem auch die erforderlichen Drehmomentkomponenten zur Überwindung der Reibung, zum Betrieb der Nebenaggregate und zum Antreiben des Ventiltriebs. Diese Drehmomentkomponenten wirken weitgehend gleichmäßig über das gesamte Arbeitsspiel und resultieren in einer gemeinsamen Verschiebung der Istwerte aller acht Prüfmerkmale. Diese Verschiebung ist für jeden Prüfling individuell und führt ebenfalls zu einer Korrelation der Istwerte dieser Prüfmerkmale.
\begin{figure}
\centering
\setlength\figurewidth{.9\columnwidth}
\setlength\figureheight{.45\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Kurbelwinkel \mathSymbolWithUnit{\varphi}{\degree} }
\renewcommand\figureYLabel{Drehmoment \mathSymbolWithUnit{M(\varphi)}{Nm} }
\footnotesize
%\mytikzexton
\input{"graphics/P1211 01/001 idPartType_10021_idChannel_10063_idXAxis_10003.tikz"}
%\input{"graphics/P1211 01/001 idPartType 10021 idChannel 10063 idXAxis 10003.tikz"}
\mytikzextoff
\caption[Messsignale des Schlepp-Drehmoments und manuell definierte Fenster]{Messsignale des Schlepp-Drehmoments \lineWithParens{myLineOne} für \num{25} Motoren des Motortyps M1 mit \ac{iO}-Prüfergebnis auf dem Prüfstand P2 sowie acht der manuell definierten Fenster \dashedLineWithParens{myManualLimits} mit Nummer des Merkmals und Merkmalstyp (vgl. \tabref{tab:Auswertefunktionen}). Die Signale stammen aus der Mechanik-Teilprüfung (vgl. \figref{fig:drehzahlverlauf_pruefung}). Das bei $\varphi = \SI{695}{\degree}$ beginnende Fenster des Merkmals \num{84} bricht am Signalende um und umfasst weiters den Bereich $\varphi \in \bracks{\SI{0}{\degree}, \SI{10}{\degree}}$.}
\label{fig:EOLTorque}
\end{figure}
%Bin 5 of 189:
% idWindow idPartType idChannel idXAxis windowType cylinder lowerLimit upperLimit xMin xMax actualValue limitExceeded property1Name property1Value property2Name property2Value property3Name property3Value isScalar isContinuous partTypeName yName xName windowBin
% 88 10021 10063 10003 'Max' NaN [ 41] [ 84] 335 370 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 83 10021 10063 10003 'Min' NaN [ -50] [ -10] 20 55 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 84 10021 10063 10003 'Min' NaN [ -50] [ -10] 200 235 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 85 10021 10063 10003 'Min' NaN [ -50] [ -10] 380 415 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 86 10021 10063 10003 'Min' NaN [ -50] [ -10] 560 595 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 90 10021 10063 10003 'Max' NaN [ 41] [ 84] 695 10 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 89 10021 10063 10003 'Max' NaN [ 41] [ 84] 515 550 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
% 103 10021 10066 10003 'Mitt' NaN [-650] [-250] 5 715 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Ansaugdruck [mbar]' 'KW [°]' 35
% 87 10021 10063 10003 'Max' NaN [ 41] [ 84] 155 190 [NaN] NaN '' [NaN] '' [NaN] '' [NaN] true true 'Mechanik, Mechanik' 'Drehmoment [Nm]' 'KW [°]' 35
Über den gesamten Prüfling hinweg betrachtet sind die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Prüfmerkmalen sehr komplex. Sie hängen zudem von den Aktor-Eingriffen in den jeweiligen Teilprüfungen ab, die genaue Ausprägung ist unter anderem auch abhängig vom konkreten Motortyp. Eine Stichproben-Korrelationsmatrix aller \num{326} stetigen Prüfmerkmale zeigt \figref{fig:EOLCorrelation}. Dabei weist sowohl eine stark positive als auch eine stark negative Korrelation auf einen Zusammenhang der Istwerte der jeweiligen Merkmale hin. Das Korrelationsverhalten gilt dabei aber ausdrücklich nur für die \ac{iO}-Prüflinge. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass eine starke Korrelation der Istwerte zweier Merkmale im \ac{iO}-Fall keinesfalls darauf schließen lässt, dass eines der beiden Merkmale für die Fehlererkennung nicht erforderlich sei. Beispielhaft lässt sich dies an den acht Prüfmerkmalen nachvollziehen, deren Istwerte aus den Fenstern in \figref{fig:EOLTorque} berechnet werden. Sie finden sich in der Stichproben-Korrelationsmatrix in \figref{fig:EOLCorrelation} als Block von acht stark korrelierten Merkmalen an den Positionen \num{77} bis \num{84} wieder, wobei die ersten vier Merkmale zu den letzten vier negativ korreliert sind. Trotz der starken Korrelation der acht Merkmale im \ac{iO}-Fall ist keines der Merkmale verzichtbar, da jedes die Kompression bzw. Dekompression in einem der vier Zylinder des Prüflings überwacht.
\begin{figure}
\centering
\footnotesize
\setlength\figurewidth{.5923\columnwidth} % factor 1.1846 larger than figureheight
\setlength\figureheight{.5\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Index der Prüfmerkmale}
\renewcommand\figureYLabel{Index der Prüfmerkmale}
\includegraphics{"P1015 02(all) 01a/001 windowGroup=001, correlation matrix"}
\caption[Stichproben-Korrelationsmatrix aller Prüfmerkmale]{Stichproben-Korrelationsmatrix der \num{326} stetigen Prüfmerkmale für Motortyp M1 am Prüfstand P2. An den Zeilen und Spalten sind jeweils die Prüfmerkmale durchnummeriert. Stark eingefärbte Merkmalspaare weisen eine hohe (positive oder negative) Korrelation der Istwerte auf, graue Merkmalspaare sind nahezu unkorreliert. Verwendet wurden nur Daten von Prüflingen, die bei ihrem ersten Prüflauf ein \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen erhalten haben.}
\label{fig:EOLCorrelation}
\end{figure}
Wenn also auch eine Reduktion der Anzahl auszuwertender Prüfmerkmale anhand der Korrelationen nicht sinnvoll ist, lassen sich die bekannten Zusammenhänge im \ac{iO}-Fall unter Umständen nutzen, um davon abweichende \ac{niO}-Prüfläufe zu erkennen. Durch das gemeinsame Bewerten mehrerer Prüfmerkmale besteht das Potential einer schärferen Fehlererkennung. Zur Veranschaulichung sind in \figref{fig:EOLScatterTorque} zwei der Drehmoment-Prüfmerkmale aus \figref{fig:EOLTorque} gegeneinander aufgetragen. Wie anhand der Korrelationsmatrix bereits zu erkennen war, besteht zwischen den Istwerten der beiden Merkmale eine starke positive Korrelation. Wird jedes der beiden Merkmale für sich betrachtet, dann ist die resultierende Gesamt-Prüfgrenze im zweidimensionalen Merkmalsraum ein Rechteck (vgl. manuelle Prüfgrenzen). Die tatsächliche Verteilung der \ac{iO}-Merkmalswerte füllt nur einen kleinen Teil der innenliegenden, als \ac{iO}-bewerteten Fläche des Merkmalsraumes aus. Durch eine bessere Anpassung der Prüfgrenze an die reale mehrdimensionale Verteilung der \ac{iO}-Prüfläufe besteht also das Potential eine schärfere Fehlererkennung zu erreichen. Der durch die achsparallelen, manuell gesetzten Prüfgrenzen definierte Hyperquader wird in diesem Fall durch eine komplexe, mehrdimensionale geometrische Form ersetzt.
\begin{figure}
\centering
\footnotesize
\setlength\figurewidth{.5923\columnwidth} % factor 1.1846 larger than figureheight
\setlength\figureheight{.5\columnwidth}
\renewcommand\figureXLabel{Prüfmerkmal \num{77}}
\renewcommand\figureYLabel{Prüfmerkmal \num{78}}
\includegraphics{"P1015 02(all) 02b/001 windowGroup=001, scatter"}
\caption[Streudiagramm zweier Prüfmerkmale des Schlepp-Drehmoments]{Streudiagramm als Gegenüberstellung der Istwerte der Prüfmerkmale \num{77} und \num{78} \circleWithParens{myY} für Motortyp M1 mit auf dem Prüfstand P2 sowie manuelle gesetzte Prüfgrenzen der beiden Merkmale \mbox{\dashedLineWithParens{myManualLimits}.} Verwendet wurden nur Daten von Prüflingen, die bei ihrem ersten Prüflauf ein \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen erhalten haben.}
\label{fig:EOLScatterTorque}
\end{figure}
Herausfordernd ist die Übertragung auf höherdimensionale Merkmalsräume, da sich sowohl die Bestimmung und Darstellung der resultierenden Prüfgrenze als auch die Interpretation der Prüfergebnisse mit der Anzahl der miteinander verknüpften Merkmale zunehmend schwieriger gestaltet.
Es stellt sich daher die Frage, wie sich Prüfmerkmale anhand ihrer Istwerte sinnvoll in korrelierte Teilräume gruppieren lassen. In der Korrelationsmatrix entspricht dies einem Umordnen der Zeilen und Spalten, so dass Blöcke von Merkmalen mit starker Korrelation auftreten. Eine einfache Möglichkeit um eine solche Gruppierung zu erreichen ist der Aufbau eines Graphen aus der Stichproben-Korrelationsmatrix. Der Betrag des Stichproben-Korrelationskoeffizienten $\corrSym_{\indexFeat,\indexFeatTwo}$ von Merkmal $\indexFeat$ und Merkmal $\indexFeatTwo$ wird dazu mit einem unteren Schwellwert $\adjacency_0$ versehen:
\begin{IEEEeqnarray}{rCl}
\adjacency_{\indexFeat,\indexFeatTwo} &=& \begin{cases}
1 & \text{für} \abs{\corrSym_{\indexFeat,\indexFeatTwo}} > \adjacency_0, \\
0 & \text{sonst.}
\end{cases} \label{eq:EOLAdjacencyElement}
\end{IEEEeqnarray}
%
Aus den Werten $\adjacency_{\indexFeat,\indexFeatTwo}$ wird die Adjazenzmatrix eines Graphen aufgebaut, wobei $\adjacency_{\indexFeat,\indexFeatTwo}$ den Eintrag in der $\indexFeat$-ten Zeile und $\indexFeatTwo$-ten Spalte der Adjazenzmatrix darstellt. Diese Vorgehensweise ist ähnlich zum Ausgangspunkt der Spectral-Clustering-Methode \cite[][544-547]{Hastie2009}, es werden allerdings die Ähnlichkeiten zwischen ganzen Merkmalen und nicht zwischen einzelnen Samples betrachtet. Den so entstehenden Graphen zeigt \figref{fig:EOLGraph}. Jeder Knoten stellt ein Prüfmerkmal dar, und die vorhandenen Kanten zeigen eine starke Korrelationen zwischen den jeweiligen Prüfmerkmalen auf. Der Schwellwert in \eqref{eq:EOLAdjacencyElement} entscheidet über den Mindestwert des (absoluten) Korrelationskoeffizienten für die Darstellung einer Kante im Graphen. Beispielhaft für das Ergebnis der Gruppierung sind die Prüfmerkmale des Drehmomentsignals aus \figref{fig:EOLTorque}. Alle acht Merkmale wurden im Graphen in \figref{fig:EOLGraph} rein basierend auf den analysierten Messdaten gemeinsam in Gruppe B eingeordnet. Außerdem enthält Gruppe B noch Merkmal 97, % idWindow=103
das den Mittelwert des Ansaugdrucks bewertet und damit ebenfalls mit dem Schlepp-Drehmoment in physikalischem Zusammenhang steht. Die anderen Merkmalsgruppen führen ebenfalls Merkmale zusammen, die physikalisch miteinander zusammenhängende Phänomene abbilden. %Die Merkmalsgruppen N und O gruppieren z.B. Merkmale des Drehmomentes, allerdings aus der Teilprüfung \glqq{}Öldruckaufbau\grqq (vgl. \figref{fig:drehzahlverlauf_pruefung}).
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{"correlation graph, mod4"}
% EC1015_DriftPlotFeatureDrift svg export, open with Inkscape, ungroup, remove unneccessary background rectangles, check edge line with is 0.75 pt, export as pdf
\caption[Graph zur Korrelationsstruktur der Prüfmerkmale]{Graph zur Darstellung der Korrelationsstruktur der Prüfmerkmale mit einem Knoten je Prüfmerkmal und Kanten entsprechend einer Adjazenzmatrix $\mm{A}$ mit Einträgen $a_{i,j}$ aus \eqref{eq:EOLAdjacencyElement} und Schwellwert $a_0 = \num{0.8}$. Verwendet wurden Messungen des Motortyps M1 am Prüfstand P2 mit \ac{iO}-Prüfergebnis gemäß der manuellen Prüfgrenzen.}
\label{fig:EOLGraph}
\end{figure}
%\texttodo{Jetzt könnte man die Korrelationsmatrix wieder auspacken, und Gruppen von Merkmalen mit je einer eigenen Farbe einfärben}
Untersuchungen zu Prüfverfahren mit mehrdimensionalen Prüfgrenzen finden sich in \chref{ch:static}. Dort wird auch die Aufteilung der Prüfmerkmal in korrelierte Gruppen genutzt.
%-----------------------------------------------------------------------------
\subsection{Interpretierbarkeit und Eingriffsmöglichkeiten}
\label{sec:EOLInterpretation}
%-----------------------------------------------------------------------------
Ein Vorteil manueller Prüfgrenzen ist deren einfache Interpretierbarkeit: für jedes Merkmal gibt es eine eindeutige, feststehende untere und obere Grenze. Ein lernfähiges Prüfsystem ist zwangsläufig komplexer und damit potentiell schwieriger zu verstehen. Die Interpretierbarkeit ist dabei einerseits wichtig, damit die Bediener dem System vertrauen können. Andererseits unterstützt eine gute Interpretierbarkeit Verbesserungen im Falle von Fehlfunktionen. Interpretierbarkeit betrifft hier das Verhalten bei verschiedenen Eingangsdaten (gegebenenfalls mit Verletzung der Modellannahmen) und Nutzereingaben. Weiters betroffen ist die Darstellung der Ergebnisse in Form der Prüfgrenze und der Prüfergebnisse. Die Darstellung der Prüfergebnisse ist besonders wichtig bei \ac{niO}-Prüfläufen, um eine Aussage über die betroffenen Prüfmerkmale machen zu können.
Ist die Prüfgrenze bzw. das Prüfergebnis eines lernfähigen Prüfsystems nicht zufriedenstellend, dann sind entsprechende Eingriffsmöglichkeiten in die Algorithmen erforderlich um das Verhalten zu verbessern. Konkret gilt dies z.B. für die Prüfschärfe der einzelnen Merkmale und des Prüfsystems als Ganzes. Der zu prüfende Qualitätsaspekt der Produkte ist hier durchaus relativ zu sehen: zwischen einem nicht korrekt funktionierenden und damit eindeutig als \ac{niO} zu bewertenden Prüfling und einem in jeder Hinsicht perfekten \glqq{}Referenzmuster\grqq{} liegt eine ganze Bandbreite an funktionierenden, aber vom gewünschten Idealverhalten abweichenden Ausprägungen. Solche geringfügigen Abweichungen sind dem Produktionsprozess immanent und lassen sich nie ganz vermeiden. Wann jedoch ein funktionierender, vom Ideal abweichender Prüfling als nicht mehr tolerierbar anzusehen ist hängt im Grenzbereich auch vom Hersteller und dessen Qualitätsansprüchen ab, die entsprechend in die Prüfgrenzen einfließen sollten.
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
\section{Zusammenfassung}
%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%
Zusammenfassend stellt die \ac{EOL}-Prüfung von Fahrzeugmotoren ein komplexes Anwendungsbeispiel dar, anhand dessen in den nachfolgenden Kapiteln lernfähige Prüfsysteme untersucht werden. Eine in die Fertigungslinie integrierte \ac{EOL}-Prüfung bedingt eine Aufteilung des Prüfsystems in eine Online-Prüfkomponente und eine Offline-Trainingskomponente. Die Vielzahl an Prüfmerkmalen (326 relevante Merkmale in den untersuchten Beispieldatensätzen) und deren jeweilige statistische Besonderheiten stellen eine Herausforderung für die verwendeten Algorithmen dar. Bei der Verknüpfung mehrerer Prüfmerkmale miteinander besteht das Potential, eine höhere Prüfschärfe zu erreichen. Ebenso entsteht ein Potential für engere Prüfgrenzen durch eine feineren Unterscheidung von Produktvarianten. Als Rahmenbedingungen sind außerdem die Eigenschaften der Prüfumgebung (unter anderem in Form verschiedener Prüfstände) zu berücksichtigen, die sich in den Istwerten der Prüfmerkmale niederschlagen. Eine Robustheit gegenüber fehlerhaften Trainingsdatensätzen ist vorteilhaft, um ein manuelles Aufbereiten von Trainingsdatensätzen zu vermeiden und so einen möglichst autonomen Betrieb eines lernfähigen Prüfsystems zu ermöglichen.